Bewerbung – Vorstellungsgespräch – Offenbarungspflichten im Vorstellungsgespräch und berechtigtes Interesse des Arbeitgebers
Offenbarungspflichten im Vorstellungsgespräch
Das Vorstellungsgespräch ist für Arbeitgeber und Bewerber die wichtigste Gelegenheit, sich kennenzulernen und Erwartungen abzugleichen. Dabei spielt das Thema Offenbarungspflichten im Vorstellungsgespräch eine zentrale Rolle. Sie beschreibt, in welchen Fällen Bewerber verpflichtet sind, bestimmte Informationen von sich aus mitzuteilen, auch wenn keine direkte Frage gestellt wird. Grundlage ist das sogenannte berechtigte Interesse des Arbeitgebers, das mit dem Persönlichkeitsrecht des Bewerbers in Einklang gebracht werden muss.
Grundlage und rechtliche Einordnung
In Deutschland gilt grundsätzlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das bedeutet, dass ein Bewerber selbst entscheiden darf, welche persönlichen Informationen er preisgibt. Dennoch gibt es Situationen, in denen eine sogenannte Offenbarungspflicht besteht. Diese ergibt sich aus der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme im Bewerbungsprozess und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Arbeitgeber hat dann ein berechtigtes Interesse daran, bestimmte Tatsachen zu erfahren, um das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu gestalten.
Eine Offenbarungspflicht im Vorstellungsgespräch liegt jedoch nur vor, wenn der Sachverhalt für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit unmittelbar relevant ist. Es geht also nicht darum, private Informationen preiszugeben, sondern ausschließlich um Umstände, die die Arbeitsleistung oder die Vertragserfüllung wesentlich beeinflussen.
Typische Fälle von Offenbarungspflichten
In der Praxis gibt es einige typische Fälle, in denen eine Offenbarungspflicht im Vorstellungsgespräch besteht. Diese betreffen vor allem Themen, bei denen eine direkte Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, die Loyalität oder rechtliche Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses besteht.
- Verhinderung oder absehbare Abwesenheit: Wenn ein Bewerber bereits weiß, dass er zu Beginn der Beschäftigung nicht arbeitsfähig sein wird – etwa wegen einer anstehenden Operation, Kur oder eines längeren Urlaubs –, besteht eine Offenbarungspflicht. Der Arbeitgeber muss planen können, wann die Arbeitskraft tatsächlich zur Verfügung steht.
- Schwangerschaft: Eine besonders sensible Frage betrifft die Mitteilung einer bestehenden Schwangerschaft. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Frage des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft unzulässig, da sie gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Eine Bewerberin darf in diesem Fall sogar eine unrichtige Antwort geben, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Eine Offenbarungspflicht besteht nur dann, wenn die Tätigkeit aufgrund der Schwangerschaft objektiv nicht ausgeübt werden kann – etwa bei gesundheitsgefährdenden Arbeiten. Mehr Informationen zur Rechtslage finden Sie hier bei DHZ.
- Schwerbehinderung: Eine Schwerbehinderung muss grundsätzlich nicht angegeben werden, sofern sie die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt. Wenn der Bewerber jedoch weiß, dass er bestimmte Aufgaben dauerhaft nicht erfüllen kann, besteht eine Offenbarungspflicht. Ziel ist es, eine spätere Arbeitsunfähigkeit oder rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
- Wettbewerbsverbot: Besteht aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis ein vertragliches Wettbewerbsverbot, muss der Bewerber dies von sich aus mitteilen. Ein solches Verbot kann verhindern, dass er bei einem Konkurrenten tätig wird. Das Verschweigen dieser Tatsache kann zur Anfechtung oder Kündigung des Arbeitsvertrags führen.
- Fehlende Qualifikation oder Täuschung über Zeugnisse: Bewerber dürfen sich nicht über berufliche Qualifikationen, Schulabschlüsse oder Berufserfahrungen täuschen. Wer beispielsweise ein Diplom oder Zertifikat angibt, das tatsächlich nicht vorhanden ist, verletzt seine Offenbarungspflicht und riskiert die sofortige Kündigung wegen arglistiger Täuschung.
Zulässige und unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch
Eine zentrale Abgrenzung im Zusammenhang mit den Offenbarungspflichten ist die Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Fragen im Vorstellungsgespräch. Nur auf zulässige Fragen besteht eine Pflicht, wahrheitsgemäß zu antworten. Auf unzulässige Fragen darf der Bewerber schweigen oder sogar eine falsche Antwort geben, ohne rechtliche Folgen befürchten zu müssen.
Zulässig sind Fragen, wenn sie sich direkt auf die angestrebte Tätigkeit beziehen. Dazu gehören beispielsweise Fragen zu Berufserfahrung, Qualifikationen, gesundheitlichen Einschränkungen bei körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten oder zu Nebentätigkeiten, die den Arbeitgeber betreffen könnten. Unzulässig sind hingegen Fragen nach Religion, politischer Einstellung, sexueller Orientierung oder Familienplanung – sie verletzen das Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie im Beitrag zulässige und unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch.
Personalfragebogen und Datenschutz
Viele Unternehmen verwenden vor dem Vorstellungsgespräch einen Personalfragebogen. Dieser dient dazu, die wichtigsten persönlichen und beruflichen Daten zu erfassen. Auch hier gilt: Nur Informationen, die für die Begründung des Arbeitsverhältnisses notwendig sind, dürfen abgefragt werden. Angaben zu privaten Lebensverhältnissen, Mitgliedschaften oder Krankheiten dürfen nur dann verlangt werden, wenn ein unmittelbarer Bezug zur Tätigkeit besteht.
Ein Bewerber sollte den Personalfragebogen stets sorgfältig lesen und prüfen, ob die geforderten Angaben wirklich erforderlich sind. Falls Zweifel bestehen, ist es ratsam, vor der Beantwortung Rücksprache mit dem Arbeitgeber oder einem Rechtsberater zu halten. Der Datenschutz nach DSGVO schützt Bewerber davor, dass personenbezogene Daten unzulässig verarbeitet oder gespeichert werden. Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens müssen die Unterlagen gelöscht oder zurückgegeben werden, sofern kein Arbeitsvertrag zustande kommt.
Folgen bei Verstoß gegen Offenbarungspflichten
Wer eine Offenbarungspflicht verletzt, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Wird eine wesentliche Tatsache verschwiegen oder falsch dargestellt, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag anfechten oder sogar fristlos kündigen. Entscheidend ist, ob die verschwiegene Information für die Einstellung relevant war. Bei arglistiger Täuschung kann darüber hinaus Schadenersatz verlangt werden.
Umgekehrt darf der Arbeitgeber Bewerber nicht benachteiligen, wenn diese rechtmäßig Informationen zurückhalten, die nicht von einer Offenbarungspflicht erfasst sind. In solchen Fällen liegt keine Pflichtverletzung vor. Der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Gleichbehandlung stehen über dem Informationsinteresse des Arbeitgebers.
Praxisempfehlung für Bewerber
Bewerber sollten sich bereits vor dem Gespräch mit den möglichen Offenbarungspflichten vertraut machen. Folgende Empfehlungen können helfen:
- Bereiten Sie sich auf kritische Fragen vor und klären Sie vorab, welche Informationen Sie preisgeben müssen und welche Sie verweigern dürfen.
- Bleiben Sie stets bei der Wahrheit, wenn eine Frage rechtmäßig und relevant ist.
- Nutzen Sie bei sensiblen Themen eine sachliche Sprache und erklären Sie, falls nötig, den Zusammenhang.
- Bitten Sie um schriftliche Klärung, wenn Sie sich bei einer Frage unsicher sind.
- Vermeiden Sie Übertreibungen oder Verschweigen von relevanten Fakten, die später zu Konflikten führen könnten.
Fazit
Die Offenbarungspflichten im Vorstellungsgespräch bilden einen wichtigen rechtlichen Rahmen für den Bewerbungsprozess. Sie schützen beide Seiten – den Arbeitgeber durch transparente Informationen und den Bewerber durch klare Grenzen des Fragerechts. Entscheidend ist immer, ob ein berechtigtes Interesse besteht und ob die Information für die Ausübung der Tätigkeit notwendig ist. Wer sich dieser Regeln bewusst ist, kann souverän auftreten, ehrlich antworten und zugleich seine persönlichen Rechte wahren.
Stand: Oktober 2025 – Bildungsbibel.de